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vom 11.12.2005

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Sloughi Moussem

von Barbara Blesch

Nicht lange nach der Adoption meines ersten marokkanischen Hundes kam auf Pro 7 die Serie “Abenteuer Hund“. Natürlich musste ich besonders die Folge zu Marokko sehen ­ und war erschüttert, festzustellen, dass da anscheinend ein wichtiger Hundeevent von mir nicht wahrgenommen wurde. Der berühmte Sloughi-Moussem von Imi-n-Tatelt!

Schutzmauern, Durchgänge und Tore prägen das Ortsbild Blick über den nordwestlichen Ortsteil Im Vordergrund die Zaoiua mit dem speicherhaus für Opfergaben, dahinter das weiß getünchte Heilgengrab mit Friedhof, angrenzend der Schlacht- und Opferplatz, dahinter ein Wohnviertel.
Schutzmauern, Durchgänge und Tore prägen das Ortsbild Blick über den nordwestlichen Ortsteil Im Vordergrund die Zaoiua mit dem Speicherhaus für Opfergaben, dahinter das weiß getünchte Heilgengrab mit Friedhof, angrenzend der Schlacht- und Opferplatz, dahinter ein Wohnviertel.

Die nächste Marokkoreise führte nicht in dieses Gebiet, aber 2003 war es dann soweit. Nach einer Nacht an einem Nomadenfriedhof mit prähistorischen Tumuli (Grabstätte) in idyllischer Wüstenlandschaft erklommen wir dann die holprige Piste, die in einem Flussbett auf das Plateau von Imi-n-Tatelt führt. Eine weite Fläche lag vor uns, umschlossen von Bergketten, am Ende leuchtete etwas rosa: das musste der Ort des Moussems sein.

Bei der Annäherung erwies sich der rosa Fleck als administrative Einheit des Ortes, die vor den Foum, den schmalen Durchgang, gebaut war, hinter dem sich Imi-n-Tatelt versteckt. In alten Zeiten war der Ort von der Ebene aus nicht zu erkennen. Wir fuhren ins Flusstal hinab, an dessen steilen Hängen Häuser in Sahara-Steinarchitektur eine idyllische, noch sehr gut erhaltene und bewohnte Siedlungseinheit bilden. Die Atmosphäre dort ist unglaublich, eine solche Ursprünglichkeit einer städtisch wirkenden Siedlung ist auch in Marokko nur selten anzutreffen ­ kurz, ein Juwel!

Wir erkundigten uns nach dem Datum des Sloughi-Moussems, um einen weiteren Besuch dort gezielt zu planen ­ auf einer anderen Reise ­ und erhielten die Auskunft: in 4 Tagen. Ungläubig standen wir da, mochten es kaum glauben. Wie verlässlich war diese Auskunft? Auf dem Rückweg, als wir das Plateau noch ein wenig erforschten, erkundigten wir uns unterwegs nach den Pisten, kamen ins Gespräch ­ und somit auf die Sloughis ­ und erfuhren auch hier: in 4 Tagen ist der Moussem.

Ankunft im Dorf Begegnungen im Trockenflussbett, dem einzig wirklich ebenen Weg im Dorf Begegnungen im Trockenflussbett, dem einzig wirklich ebenen Weg im Dorf

 

Wir überbrückten die Frist mit einem warmen Wüstenaufenthalt und waren 4 Tage später wieder im kühlen Bergland. Am Ortseingang trafen wir den ersten Bewohner, mit dem auch gleich ein Gespräch entstand. “Die Jäger lagern 4 Kilometer von hier, ich habe sie vor 1,5 Stunden dort gesehen, als ich mit meinem Motorrad längs kam.“ erfuhren wir ­ und dass der eigentliche Moussem erst in 3 Tagen stattfindet.

Natürlich suchten wir sofort die beschriebene Stelle auf ­ und tatsächlich, dort bot sich uns ein wunderbares Bild. In einem trockenen Flussbett saßen etwa 20 Jäger zur Teepause, ihre Hunde liefen in der Gegend umher, bis auf eine Bracke ausschließlich Sloughis aller möglichen Typen und Farbschläge. Der LKW und der Pritschenwagen, mit denen die Jagdgesellschaft reiste standen geschickt getarnt im Fluß, die Jagd zu dieser Zeit ist illegal. Misstrauische Blicke trafen uns, als wir anhielten und mit unserer Hündin ausstiegen. Höflich, gastfreundlich und neugierig, wie Marokkaner eben sind, wurden wir nach kurzem Sondierungsgespräch zum Tee eingeladen. Der offensichtliche Anführer fragte nach dem warum unseres Besuches, wir erzählten von unserer Liebe zu den Sloughis und unterbreiteten unseren Wunsch, vielleicht mal eine Jagd zu begleiten. “Mit Euerem Hund?“ “Warum nicht?“ “Jagt sie?“ “Aber klar!“ Seid ihr in der Lage, 3-4 Stunden mit uns die Berge rauf und runter zu gehen, vielleicht auch länger?“ “Aber sicher!“

Jagdgesellschaft beim Entladen ihres Lkw Sloughihalter und Interessierte Jagdsloughi

Wir unterhielten uns noch über die Hunde, ich erfuhr, dass Jagdsloughis kein Fleisch bekommen, weil sie dann zu faul zum Jagen werden.

Die Kriterien zur Verpaarung sind ausschließlich jagdlich bestimmt:
hetzfreudige, zähe Hunde ­ die natürlich von edlem Blute sein müssen, als reinrassige Sloughis erkennbar. Kleine Fehler nach dem FCI-Standard sind nebensächlich. Ein Austausch mit anderen Ländern findet nicht statt, wohl aber zwischen befreundeten Jägern verschiedener Regionen. Diese spezielle Jägergruppe kam aus dem oberen Soustal.

Inzwischen waren die Hunde zur Ruhe gekommen und saßen malerisch im Abendlicht am Steilabbruch des Trockenflusses, einige Meter über unserer Teegesellschaft. Meine eigene Hündin hatte sich zwischen sie platziert ­ respektvoll wie die Hunde, die ohne jedes Signal sich außerhalb des menschlichen Lagerplatzes aufhielten. Nur 2 Hündinnen mussten im LKW bleiben ­ mit dem Hasenstab sorgte ein Jäger für Ruhe, als die Damen dort in eine kontroverse Diskussion gerieten.

Es wurde für uns langsam Zeit, einen Nachtplatz zu suchen und wir verliesen die Gruppe mit einem “Bis morgen, inch¹allah³. Ich war mir nicht sicher, ob sie uns wirklich zur Jagd mitnehmen würden. Und mein Gefühl bestätigte sich, als sie eine Stunde später aufbrachen. Bei den Jagden wird nur selten in der Natur geschlafen, meist wird in einem Dorf übernachtet.

Ein Lagerplatz der Jäger: wind- und blickgeschützt Versammlung vor den Verwaltungsgebäuden. Das Dorf selbst liegt versteckt hinter dem Berg

Am nächsten Morgen erfuhren wir von unserem zuverlässigen Informanten, wohin die Jäger gefahren waren. Aber uns Stolz verbot es, ihnen zu folgen. Eine Frage der Ehre! Und so amüsierten wir uns im Bergland damit, die Spuren der Jagdgesellschaft aufzuspüren und zu interpretieren. Die Jäger als Wild, dessen Spuren es zu lesen gilt. Es war spannend und lehrreich, da die Auswahl der Biwakplätze stets optimal war, geschützt vor Blicken und Winden, strategisch günstig, wir waren von den Qualitäten beeindruckt.

Für den Nachmittag hatten wir eine Einladung zum Tee angenommen, und so fuhren wir auf der atemberaubend schmalen Piste, die den Osthang des Canyons erklimmt, zum höchstgelegenen Haus, dem Gästehaus unseres Gastgebers. Dort lernten wir auch den 9-jährigen Sloughirüden kennen. Blegh war vor 2 Jahren bei der Hasenjagd eine Felswand hinab gestürzt und hatte sich den Oberschenkel gebrochen. Bis zu seiner Genesung wurde er im Haus untergebracht, wo er sonst nur in kalten Nächten bleiben darf. Der Bruch war ohne ärztliche Versorgung geheilt, allerdings humpelt der liebenswürdige Senior jetzt stärker. Aber da er in seiner Jugend ein erfolgreicher Jäger war, bekommt er sein Gnadenbrot.

Vom Haus aus hatten wir einen wunderbaren Blick über das Dorf, zu unseren Füßen die Zaouia, des Sidi Mohand ou Yacoub, wo ein ständiges Kommen und Gehen der Pilger für lebhaftes Treiben sorgte. Unten im Flusstal das Gästehaus der Zaouia, am anderen Ufer das Grabmal von Ben Yacoub, darüber der Schlachtplatz, auf dem auch die rituelle Schächtung der Opferrinder anlässlich des Moussems erfolgen sollte. Stundenlang hätte ich dort sitzen können, umhüllt von den spirituellen Gesängen der Pilger auf der Dachterasse der Zaouia unter mir. Eine unglaublich dichte, intensive Atmosphäre, ein wirklich außergewöhnlicher Platz.

Erst viel später erfuhr ich, wie verehrt diese Zaouia ist. In ganz Südmarokko ist nur die Zaouia Sidi Ahmed ou Moussa von Tazeroualt im westlichen Antiatlas noch einflußreicher. Ben Yacoubs Bedeutung reicht bis weit in den Osten hinein, im Süden in die Dra-Region. Die wirtschaftliche Macht ist immer noch groß, so gehörte beispielsweise ein Großteil Palmenoase von Tata neben zahlreichen Quellen und Gütern, der Zaouia. Zum jährlichen Moussem, ein wichtiges Datum im wirtschaftlichen und spirituellen Kalender der Region, entsenden noch heute die anderen Zaouias Opferstiere.

Zu Zeiten des Karawanenhandels war Imi-n-Tatelt ein bedeutender Umschlagplatz für Waren zwischen der Bevölkerung des Dratals, der Sahara, des Soustals und des Antiatlas. Trotz der ständigen Intrigen der Nachfahren des Heiligen um die Anteile an den Opfergaben prosperierte der Ort und engagierte bedeutende Schriftgelehrte, die die Reputation der Zaouia noch steigerten. Im Gegensatz zu anderen Pilgerstätten konnte sich Ben Yacoub seine Anziehungskraft bis ins 21. Jahrhundert erhalten. Der Sloughi-Moussem ist ein Beleg dafür, auch wenn er an Größe und Pracht nicht mit dem Moussem zu Ehren des Heiligen zu vergleichen ist. Aber auch ohne dieses Hintergrundwissen war die spirituelle Ausstrahlung erkennbar. Selbst für meine Hündin, die beim Vorbeigang an der Zaouia jedes Mal zitterte.

Unser Gastgeber lies es sich nicht nehmen, uns nach einem Minztee im riesigen Gästesalon den Ort persönlich vorzustellen. Und so besuchten wir einen Agadir in völlig untypischer Bauweise, bewohnt von der Wächterfamilie und immer noch genutzt. Im Gegensatz zu dem sonst üblichen zentralen Kollektivspeichern im Antiatlas gab es hier mehrere Kollektivspeicher, über die verschiedenen Wohnviertel verteilt.

[Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe]

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