Risha - eine arabische Prinzessin
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Eines der späteren "Bächtiger-Mobile" |
Januar 1975. Es ist noch frühmorgens- Wir sind die ganze Nacht
gefahren, um rechtzeitig im Hafen von Genua anzukommen. Noch etwas
schläfrig schauen wir dem bunten Treiben im Hafengelände
zu. Es riecht nach Diesel, Früchten, Gebäck und abgestandenem
Wasser, für uns ein herrlicher Duft, denn er bedeutet Freiheit
und - wer weiß? -Abenteuer. Unser ganzes Hab und Gut haben
wir in unseren Landrover gepackt. Ob wir wohl wieder an das anknüpfen
können, was wir 1972 erlebten? Drei Monate hatten wir damals
in der Sahara verbracht und wunderbare Freundschaften mit Zwei-
und Vierbeinern geschlossen. Die Familie Marc-Thomas mit ihrer schönen
hochbeinigen Hündin Dolly, die Tag und Nacht an meinem Bett
gewacht, als ich krank war, und bei meiner Genesung vor Freude den
halben Garten umgegraben hatte -diese Familie in Agadez wollten
wir wieder besuchen,
Während ich in Gedanken versunken dastehe, tippt mir jemand
auf die Schulter. "Na, wohin soll die Reise gehen?" -
In die Sahara, wohin denn sonst?" - "Freut mich, Stallberg
ist mein Name", stellt sich der freundliche Mann vor, "übrigens:
Kennt Ihr die Sloughis?"
Ob wir wohl vor lauter Träumen schon die Bilder dieser herrlichen
Hunde vor Augen haben, dass Dr. Stallberg ausgerechnet uns anspricht?
Er hat viele Jahre auf der Insel Djerba gelebt, Sloughis gehalten
und gezüchtet, die er ausschließlich aus der Gegend um
das Chott EI Djerid geholt hatte. Wir freuen uns auf die Überfahrt
nach Tunis, denn Dr. Stallberg verspricht uns, viele Bilder von
seinen Sloughis und von Jagdszenen in der Sahara zu zeigen.
Wir sitzen nun in der gemütlichen Bar des dänischen Fährschiffs.
Unser Thema für die eineinhalb Tage Überfahrt ist klar:
Sloughis! Vor unserer Reise hatten wir ein ganzes Jahr nach einem
vierbeinigen Begleiter gesucht - in Tierheimen, bei Züchtern
und sogar in der Fernsehsendung von Heidi Abel, aber nirgends
sprang der Funke über. Jetzt, nach dem Betrachten dieser herrlichen
Sloughi-Bilder und den Erzählungen über Eigenschaften,
Eigenarten, Pflege und Freundschaft zu dieser Rasse aus Tausendundeiner
Nacht wissen wir, wonach wir so lange gesucht hatten.
Wir genießen die ersten lauen Januartage in Tunesien. Auf
einem kleinen Markt außerhalb von Tunis decken wir uns mit
Gemüse, Brot und Früchten ein. Wir wollen auf dem schnellsten
Weg nach Douz gelangen, wo es, so sagte man uns, noch die schönsten
und typischsten Sloughis gibt, Sloughis, die nach alter Tradition
gezüchtet, gehalten und zur Jagd eingesetzt werden.
Hellsandfarben, möglichst ohne Maske und ein Rüde soll
ersein, unser Wunsch-Sloughi, ein Welpe natürlich, mit gutem
Rücken und schönen geraden Beinen! Ohne nach alter Tradition
kupierte Ohren und Brandmale an den Vorderläufen, selbstverständlich.
Wir wollen unsern neuen Freund ja zurück nach Europa bringen,
und wer würde da schon verstehen, warum seine Ohren einfach
abgeschnitten sind!
Endlich! Wir stehen am Dorfeingang von Douz. Der "Garde National"
kontrolliert jeden Wagen, der ins Dorf oder aus dem Dorf fährt.
Er erkundigt sich nach dem Woher und Wohin. "Wir sind auf der
Suche nach Sloughis", antworten wir. Er grinst über das
ganze Gesicht und sagt: "Sloughis gibt es keine hier"
Wir beschließen, die Oase trotzdem zu durchstreifen. Sie scheint
groß und sehr schön zu sein.
Nach einem ausgedehnten Spaziergang setzen wir uns am Dorfplatz
ins kleine Café - und sind enttäuscht. Es ist tatsächlich
kein einziger Sloughi zu sehen. nicht einmal von weitem. Wir schlürfen
unser Cola und beschließen, einige Tagein Douz zu verbringen.
Rolf ruft den Kellner herbei. um zu zahlen. Der schüttelt den
Kopf. "Alles bezahlt", sagt er und deutet auf einen Herrn
an der Bar. Der Spender entpuppt sich als der "Garde National".
Er gesteht, dass er uns nachgegangen sei und beobachtet habe, wie
wir uns verhalten. Und nun habe er eine Überraschung für
uns: Heute Abend bringt er uns zu einem Jäger, der mehrere
Sloughis halte und auch züchte. Vielleicht sei da einer zu
haben.
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Die Gastgeberfamilie mit Rosy Bächtiger. |
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Die ersten Tage mit Richa |
Es will und will nicht Abend werden! Unsere Geduld wird auf eine
harte Probe gestellt. Endlich - Tabor holt uns ab, und gemeinsam
fahren wir zum Haus des Jägers. Wir müssen draußen
warten, hören aber, dass auf dem Innenhof einiges los ist:
Einige Sloughis müssen sich da drinnen aufhalten, vor allem
Junghunde. Der Innenhof ist sehr schön: gekachelter Boden,
im Zentrum ein Ziehbrunnen, Schatten spendende Bäume - wir
denken unwillkürlich an die Alhambra von Granada. Tahar kommt
zurück. Der Jäger wolle mit Rolf verhandeln.
Hellsandfarben und zierlich, wie gemeißelt ist das Sloughi-Mädchen
- der schönste Windhund, den wir je gesehen haben. Wir wollen
es sofort begrüßen, aber oha! Es zeigt uns zuerst einmal
seine Zähne und knurrt. Also nehmen wir wieder schön brav
Abstand. Da Rolf weder arabisch noch französisch spricht, knien
die Männer am Boden und verständigen sich mit Zeichen,
die sie in den Sand "malen". Sie scheinen sich einig zu
werden und besiegeln den Handel mit einem kräftigen Handschlag.
Erst jetzt begrüßt auch mich der Jäger. Und nun
dürfen wir das Sloughi-Mädchen auch streicheln - es hat
gesehen, dass wir Freunde sind. Ganz friedlich lässt es sich
nun kraulen. Risha heißt es, was "Feder" bedeutet.
Kein anderer Name könnte besser zu ihm passen!
Der Jäger ist Hotelbesitzer, und wir lassen uns in seinem
Innenhof nieder. Noch sind die Nächte kühl. Risha rollt
sich auf den Knien ihres Herrn zusammen, zugedeckt mit der wärmenden
Djella-bah- An diesem Abend erfahren wir beinahe alles, was man
als künftiger Sloughihalter wissen muss, doch dass der Sloughi
im Bett seines Herrn schläft, ist für uns überraschend
und neu. Wie das wohl wird, frage ich mich, Unser Bett im Landrover
ist genau 110 auf 180 Zentimeter klein. Ich beschließe vor
lauter Glück, die kleine Risha mein Eigen nennen zu dürfen,
notfalls im Kopfstand zu schlafen.
Da sitzen wir nun kerzengerade in unserem Wagen und rätseln
über die Platzaufteilung, Risha wohlig an Rolf gekuschelt.
Und was unsere Vorsätze betrifft: Da war doch immer von einem
Rüden ohne kupierte Ohren und ohne Brandmale die Rede gewesen,
und ein Welpe sollte es sein. Aber nichts besseres hätte uns
passieren können. als unsere Risha (mit kupierten Ohren) zu
bekommen. In dieser Nacht schlafe ich steif und unbeweglich, während
Risha wohlig die Beine von sich streckt. Wie ich am nächsten
Abend die Wolldecken über uns drei ausbreiten will, kriecht
die kleine Risha blitzschnell unter eine der Decken und rollt sich
zusammen. So zeigt sie uns. dass sie zugedeckt schlafen möchte.
Wir bleiben noch zehn Tage in Douz und werden von Familie zu Familie
gereicht wie alte Freunde.
Dann geht die Reise weiter der Sonne entgegen: Algerien, Niger,
zwei Monate in Agadez, herrliche Expeditionen im Ténéré-Gebirge.
Landauf, landab hören wir immer wieder: "Aha, Ihr seid
also die jungen Leute mit dem Sloughi". Risha ist immer und
überall dabei. Intelligent, wie das Mädchen ist, bringt
es uns alles bei, was ein guter und glücklicher Sloughi-Besitzer
wissen muss. Kein Buch der Weit hätte uns auf so liebenswürdige
und raffinierte Weise in die Sloughi-Seele einführen können.
Jetzt wissen wir endlich, was wir über ein Jahr lang gesucht
hatten: keinen Hund, nein. einen Sloughi, genauer: eine Risha. Unsere
Prinzessin hat im Lauf der Jahre noch so manches Herz erobert. Freundschaften
mit Züchtern und Sloughi-Liebhabern in der Schweiz, in Frankreich
und Deutschland sind geschlossen worden. Die "kleine Dame ohne
Öhrli kannte fast jeder. Mit Monsieur XP (Xavier Przezdziecki.
Die Red.) in Frankreich verbindet uns nicht nur die Liebe zum Sloughi,
sondern auch zur Sahara, dieser unendlichen. sagenumwobenen Wüste.
Sie ist immer wieder ein Gesprächsthema, hat doch dieser weise
alte Herr über 35 Jahre in Algerien gelebt. Was er uns allen
voran hat, ist nicht nur sein Wissen über die Sloughis. sondern
die Beherrschung der arabischen Sprache. Wir wollten auf unserer
ausgedehnten Reise noch so manches wissen über Land und Leute
und vor allem die Sloughis, aber die älteren Leute mit großem
Wissen und großer Erfahrung sprechen leider kein französisch.
Die Harmonie von Schönheit. Intelligenz, Kraft und Eleganz
des Sloughi ist für uns ein tägliches Wunder.
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Richa (vorne) und Sharaf D'Ain Gh'Zel - der Anfang von
el Djerid |
Nach der Rückkehr nach Europa stellte sich dann bald einmal
auch die Frage des Züchtens. Wir wurden angefragt, ob wir Risha
nicht zur Zucht abgeben würden. Das kam natürlich nicht
in Frage. Wir hätten uns nie von ihr trennen können. Aber
wir überlegten uns. dass der Sloughi ein Stück arabische
Kultur darstellt. Risha ist ideal aufgebaut, hat ein herrlich sicheres
Wesen, eine fantastische Ausstrahlung mit einem
Schmelz in den Augen, der einem die Knie weich werden lässt,
und einen fabelhaften Jagdinstinkt - ideale Voraussetzungen für
die Zucht.
Risha nahm uns einmal mehr die Entscheidung ab. Der Sloughi-Rüde
Sharaf hat ihr Herz erobert. Stundenlang wurde da herumgetollt und
geschmust. Und einen stattlichen Liebhaber halte sie sich wirklich
angelacht. Gross, von bestechender Eleganz, hellsandfarben, fast
perlmuttfarben, mit großen, dunklen Augen und einem fabelhaften
Pigment, Nase, Lefzen rabenschwarz, eine maskuline Ausstrahlung
und ein sicheres, ruhiges Wesen - Rishas Geschmack war unüber-trefflich.
Am 1. Februar 1978 brachte uns Risha fünf Welpen. Sie erwies
sich als strenge und temperamentvolle Mama.
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Risha mit ihren Welpen |
Heute, vierzehn Jahre später, sind wir sehr stolz auf unsere
EI-Djerid-Familie. Mit Rishas Nachkommen wird in zwei holländischen,
zwei deutschen und in unsern zwei Schweizer Zuchtstätten gezüchtet.
Wir haben in dieser Zeit viel gelernt. Wir haben gelernt zu beobachten.
Im Orient hat jede Familie ihre Idealvorstellungen, und entsprechend
variieren die Farben der Sloughis je nach Bodenbeschaffenheit. Für
uns gab es am Anfang nur sandfarbene Sloughis ohne Maske. Bei Ei
Djerid tummeln sich heute drei black-and-tan ("sable, manteau
noir" sagen die Araber) und ein sandfarbener Sloughi, und wir
wissen es jetzt: Ein guter Sloughi hat "keine" Farbe.
Aufbau, Wesen und Ausstrahlung sollen harmonieren - wie bei unserer
arabischen Prinzessin.
Hier finden Sie noch weitere Impressionen aus der Wüste.
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Richa im Alter von 10 Jahren bei einem weiteren
Aufenthalt in Nordafrika. |
D'Jadine el Djerid - die spätere Weltsiegerin |
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Cous-Cous Essen in Algerien, 1983 |
Risha und ihre Töchter Debabshah und D'Jadine
auf einer Algerien Reise |
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Richa mit ihren Töchtern Debabshah und
D'Jadine in der Schweiz |
Begegnung in Mali 1983: Risha (rechts) beschnuppert
einen einheimischen Azawakh. |
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Extreme-Relaxing: Risha |
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