Der 1. Teil dieses Artikels erschien in Ausgabe
10. Hier können Sie ihn noch einmal nachlesen.
IIm Gegensatz zum Aidi, der zu den im Islam als unrein
geltenden Hunden gehört, genießt der edle
Windhund den Respekt. Es heißt, der Prophet selbst
hätte einen Sloughi oder Saluki besessen. Anders
als der Aidi ist die Rasse in Europa ausreichend bekannt,
so dass hier auf eine Beschreibung verzichtet wird.
In Marokko wird der Begriff auch auf Tiere angewandt,
die die Erwartungen europäischer Züchter nicht
erfüllen würden. "Einen Sloughi erkennt
man an den Augen" sagte mir ein Marokkaner einmal.
Er meinte damit, dass das Wesen des Sloughis sich in
seinen Augen spiegelt, wobei manchmal die äußere
Erscheinung den FCI-Regeln nicht gerecht wird.
Gehalten werden sie wohl im ganzen Land, wohlbehütet
hinter schützenden Mauern, so dass der Reisende
kaum Gelegenheit hat, ihnen zu begegnen. Wirklich herrenlose
Sloughis sind ausgesprochen selten, in über 20
Jahren ist mir nur einer begegnet. In Nomadengebieten
trifft man gelegentlich freilaufende Tiere, die aber
wegen ihres Pflegezustandes eindeutig einen Halter haben.
Im Südwesten Marokkos, dem Sousgebiet und den
angrenzenden Küstenstreifen leben sehr viele Sloughis.
Hier trifft man auch die sloughiblütigsten Mischlinge.
Ein weiteres Zentrum der Sloughis ist die Chaouia-Haouz-Region
zwischen Marrakech und dem Atlantik. Berühmt ist
auch die Gegend um Sidi Harazem im Norden des Landes,
wo anscheinend besonders standardgetreue Hunde gezüchtet
werden.
Entgegen der in Europa oft anzutreffenden Meinung werden
Sloughis jagdlich sehr wohl auch auf Wildschweine angesetzt.
Ein marokkanischer Akademiker berichtete mir vom 40
Jahre zurückliegenden Tod seines schwarzen Rüden.
Ein Wildschwein hatte bei der Jagd den Bauch aufgerissen
und das Tier konnte nicht gerettet werden. Der stolze
Berber hatte feuchte Augen, als er erzählte, wie
er im ersten Schmerz sogar ohne den Hund nicht mehr
weiterleben wollte.
Auch in der Region Massa, südlich von Agadir,
werden die Sloughis auf Sauen gehetzt. Dort kommt auch
ein sehr großer, massiger Typus vor, der speziell
dafür eingesetzt wird. Dort sah ich auch meine
ersten Sloughis bewusst: eines Morgens geriet der ganze
kleine Campingplatz in Bewegung, bewundernde Ausrufe
ertönten von der Mauer mit Blick auf den Strand,
wo ein junger Mann mit 2 schönen, muskulösen,
großen Hunden spazieren ging. Die Tiere sprangen
trotz Größe und Gewicht sehr elegant herum,
ein wahrhaft ästhetischer Anblick, ein Ballett.
Kräftige Athleten, deutlich größer als
der Standard, mit unglaublich tief ausladender Brust
und beeindruckender Bemuskelung in hellsand mit schwarzem
Mantel und Maske so würde ich sie rückblickend
beschreiben.
Der Nordafrikakenner und Sloughizüchter Xavier
Przezdziecki, allgemein als XP bekannt, hätte diese
Tiere wohl als nahe dem Blut stehende Sloughis bezeichnet.
Er hält ja den Sloughi für einen bastardisierten
Saluki, der mit der arabischen Eroberung in den Maghreb
gekommen ist und dort mit Wachhunden gekreuzt wurde,
um auch für den Herdenschutz Verwendung zu finden.
Dazu passt die von ALDERTON im BLV-Lexikon genannte
Verwendung als Herdenschutzhund, wofür laut selbem
Werk keine andere Windhundrasse eingesetzt wurde. Dies
führt mich zu der Frage: ist der Sloughi der wehrhafteste
Windhund? Die Antwort ist noch offen.
Der Annahme XPs widerspricht die Tatsache, dass Jahrtausende
alte Felsmalereien in der Zentralsahara die Existenz
von Windhundartigen belegen. Auch spricht er von der
größeren Reinheit der Tiere in der Sahara.
Im "leeren Viertel" zwischen Marokko, Mauretanien
und Algerien ist das Jagdgebiet der Nemadis, der Saharajäger
mit Hunden. Deren Tiere werden von britischen Forschern
des 19. Jh. als "recht derbe Sloughis" beschrieben,
scheinen also noch kräftiger und "unedler"
zu sein als die marokkanischen Tiere dieser Zeit. Trotz
Studiums einiger Werke von GABUS und MONOD, die ja als
Nemadikenner gelten können, habe ich bis heute
kein Foto dieser Hunde gefunden.
Daher befragte ich während meiner letzten Marokkotour
Mauretanienreisende und hatte das Glück, dass italienische
Reisende eine Gruppe Nemadijäger mit Hunden getroffen
hatten. Leider wurden keine Fotos gemacht, Mauretanier
sind Fremden gegenüber recht reserviert. Die Tiere
wurden als eine Art große Cirneco del Etna, somit
eindeutig windhundartig, mit spitzen Stehohren beschrieben.
Schulterhöhe etwa 65-70 cm geschätzt.
Stehohrig sind auch vierbeinige Wesen, die mit Straußen
in eine Felswand südlich von Smara geritzt sind.
GANDINI mutmaßt Hunde. Interessant in diesem Zusammenhang,
da der Ort etwas nördlich der Grenze des Nemadijagdreviers
der letzten Jahrhunderte liegt die Gravur aber Jahrtausende
alt sein dürfte. Allerdings darf die Stehohrigkeit
auch nicht überbewertet werden, in Tunesien werden
die Sloughis teilweise kupiert, so dass, wie auch vom
Dobermann bekannt, der Eindruck aufgerichteter Stehohren
entsteht.
Es spricht also Einiges dafür, dass wir auch ohne
Import des Salukis heute Windhunde im Maghreb finden
würden. Das Ziel von XPs, den Sloughi auf einen
"reinen³, dem Saluki ähnelnden Standard,
zurückzuzüchten, entspricht nicht meinen persönlichen
Präferenzen als Liebhaber der Rasse, so wie ich
sie in Marokko kennen gelernt habe.
Gerade die Typvielfalt, die sichtbare Zähigkeit
und Kraft des Sloughis schätze ich persönlich
gegenüber den sehr zierlichen Salukis. Als Entstehung
halte ich auch eine indigene Rasse mit Salukibluteinschuss
für möglich. Genau wie bei den Aidis werden
in Marokko unterschiedliche Schläge als Sloughis
tituliert und auch als solche behandelt. Die einheimische
Range sprengt eben jeden FCI-Standard.
Am selben Strand in Südmarokko, wo ich meine ersten
Sloughis sah und wo, nebenbei erwähnt, auch damals
der Wal Jonas ausspie, Oqbar Ibn Nafi als Anführer
der arabischen Eroberer ins Meer ritt um zu beweisen,
dass westlich von hier für Allah kein Land mehr
zu erobern sei und an dem am Ende aller Tage der Messias
erscheinen wird an jenem bedeutsamen Strand fand ich
auch den einzigen herrenlosen Sloughi. Der junge Rüde,
dem gelber Schleim aus der Nase lief und der so schwach
war, dass er ständig zusammenbrach, hatte unser
Vorzelt als sein neues Zuhause gewählt. Sein Körper
war schwach, aber seine Augen flehten mich mit einem
solchen Lebenswillen an, dass wir am nächsten Tag
abbauten und nach Agadir fuhren um Medikamente und Hundefutter
zu kaufen. Ich konnte nicht geruhsamen Strandurlaub
machen und tatenlos zusehen, wie dieses wunderbare Tier
neben mir starb.
Nach 3 Tagen begann er, nach Katzenart mit der Fellpflege,
nach 5 Tagen folgte er mit Blicken wieder dem anderen
Geschlecht und nach 10 Tagen begleitete er mich an den
Strand. Als ich ihn nach 3 Wochen verließ war
er in gutem Zustand und die Touristen, die er anbettelte
drehten sich nicht mehr angewidert von dem kranken Tier
ab. Er hatte wieder eine Chance. Später erfuhr
ich, dass er eine Woche nach meiner Abreise von der
Veterinärpolizei vergiftet worden war. Vor diesem
Schicksal sind auch freilaufende Sloughis mit bekanntem
Halter nicht gefeit, ein Bekannter im Antiatlas verlor
so seine Hündin.
Leider wurde der Campingplatz an diesem wunderschönen
Platz zu Gunsten eines Luxushotels aufgegeben. Aber
auch dort scheint die hundefreundliche Tradition weiter
zu leben: Bei einem Besuch 2003 liefen im Restaurant
2 Welpen einer Dorfhündin umher. Die Mutter, offensichtlich
sloughiblütig, verköstigte sich im Abfall
des Hotels.
Auch 2004 brachte mir mein schwarzer Sloughi Glück:
als ich ein ähnliches Tier fotografierte wurde
ich angesprochen, ob ich nicht richtig gute Hunde sehen
wolle statt dieser Straßenköter. Und so hatte
ich das Vergnügen, einem Sloughizüchter bei
der morgendlichen Fütterung zuzusehen. Rohe Fischköpfe,
Hühnerbeine und Schlachtabfälle wurden unter
den großen, kräftigen, gut genährten
Tieren verteilt.
Die Hunde werden in verschiedenen Häusern in Kleingruppen
gehalten, nach Alter und Harmonie sortiert. Die Sloughias
dürfen sich ihre Partner zur Verpaarung selbst
wählen. Eventuelle Fehlgriffe werden toleriert,
die Welpen werden nach ihrer Erscheinung als Sloughis
verschiedener Qualitäts- bzw. Reinheitsstufen preislich
abgestuft angeboten.
Uns wurde eine kleine Gruppe präsentiert. Der
Stolz der beiden Herren war ein sandfarbener 5jähriger
Rüde, ein erfolgreicher Sauenjäger. Eine 3jährige
gestromte Hündin hatte sichtlich starke Bindung
an den jüngeren Züchter. Als hoffnungsvolles
Talent hatte sich ein 1,5jähriger schwarzer Rüde
erwiesen. Und ein bräunlicher 9monatiger Jungspund
mit völlig aus dem Standard fallenden Ohren gab
Anlass zu weiterer Hoffnung. Zum Schluss kam der Kindergarten:
ein kleiner gestromter, rassereiner Rüde und ein
brauner Sloughimischling, beide etwa 4-5 Monate.
Nachdem noch die Sloughia unter freudiger Mithilfe
der Jungendlichen des Viertels wieder von einer nicht
autorisierten Katzenjagd abgeholt worden war begann
die Fütterung. Im Gegensatz zu vielen anderen Haltern
konnte hier aus der Hand gefüttert werden. Die
6 Tiere waren offensichtlich gewohnt in Gruppe gefüttert
zu werden, nur die Welpen mussten natürlich einen
spielerischen Futterstreit haben.
Im Gespräch mit den Herren wurde ein weiteres
Rätsel geklärt. Auf unserer letzten Reise
im Frühjahr 2003 hatten wir in dieser Region im
Dämmerlicht einen Schlafplatz gesucht. Keine einfache
Aufgabe in diesem Dickicht von kaktus- und baumförmigen
Wolfsmilchgewächsen. Eine verfallene Piste führte
uns zu einem scheinbar aufgegebenem Dorf, wo wir gerne
im Windschatten der Häuser campiert hätten.
Am Ortsende dann die Begegnung im letzten Licht: 3 ausgewachsene,
edle Sloughis standen unbeeindruckt am Ortsende. Ein
Hellsandfarbener mit schwarzer Maske, ein "Fuchs"
in rotsand-hellsand und ein Gestromter.
Leider sahen wir nur eine Frau und ein kleines Mädchen,
so dass wir weiterfuhren. Die Region ist bekannt für
die strenge Wahrung ihrer Tradition. Das hätte
eine peinliche oder zumindest unangenehme Situation
für die Frau werden können. Darüber hinaus
kennen wir die marokkanische Gastfreundschaft gut genug
um zu wissen, welche Umstände ein Anhalten unsererseits
für die Frau bedeutet hätte.
Da unser Weg damals querfeldein letztlich bis an die
Küste führte sahen wir davon ab, am nächsten
Morgen nochmals zurück zu fahren, um den Ort bei
der nächsten Reise nochmals von der selben Richtung
aus zu suchen. Das war just an diesem Tag unser Vorhaben
gewesen. Als wir die Züchter danach befragten,
ob es noch weitere Züchter im Umland gäbe
und auf das verlassene Dorf zu sprechen kamen erfuhren
wir, dass die Hunde nur zum Teil im Hauptort gehalten
werden und wegen der besseren Freilaufbedingungen mit
Betreuern auf die Weiler der Region verteilt leben.
Und genau diese Hunde, die wir im Vorjahr gesehen hatten,
gehörten unseren Gesprächspartnern.
Reisen mit Hund bedingt leider auch gewisse Einschränkungen.
Und so nahmen wir nach einer knappen Stunde trotz der
freundlichen Einladung zum Tee Abschied. Denn die Züchter
trauten wohl dem Frieden unter den Hunden nicht und
hatten uns gebeten, unsere Hündin im Auto zu lassen.
Die Weiterfahrt entschädigte uns reichlich. Im
nächsten Weiler lag ein schwarzer Sloughirüde
schlafend am Straßenrand, ein Kind fuhr mit dem
Fahrrad fast über die Ohren, er döste weiter
entspannt in der frühen Mittagssonne des Januartages.
Zahlreiche Sloughis und Mischlinge belebten den Straßenrand,
mehrfach mussten wir bremsen. Die schönste Begegnung
war ein fröhlicher Jungspund in hellbeige, der
wie ein Derwisch hinter einer Mauer hervor vors Auto
hüpfte. Etwa 7 Monate alt, Ohren viel zu groß,
Beine zu lang und voller ungestümen Übermutes
sprang er über die Piste in den nächsten Garten.
Ein Bild purer Lebensfreude. Die unglaubliche Sloughidichte
dieser Region wird für uns Anlass sein, die landschaftlich
eher langweilige Strecke auch weiterhin zu fahren.
Eine Besonderheit ist in der mir bekannten Literatur
nicht vermerkt: der Duft des Sloughi. Mir war ja der
typische Hundegeruch bekannt, und so schnupperte ich
in der ersten Zeit des Zusammenlebens mit meinem marokkanischen
Findling immer misstrauisch. Umso überraschter
war ich, eine sesam-nussige, an Basmati-Reis erinnernde
Note zu finden. Auch meine jetzige Hündin hat diesen
Duft, den ich an europäischen Hunden noch nicht
wahrgenommen habe. In einem Gespräch mit Sloughizüchterin,
Patricia Lauer, Sheik el Arab, kamen wir darauf zu sprechen
sie war vom Duft ihrer Rassetiere genauso begeistert
wie ich. "Wenn es das als Parfum gäbe...³
war unser gemeinsames Motto.
Diese Dame besitzt übrigens auch meine deutsche
Lieblingssloughia, Rais Siyada Rainine. Es ist nicht
nur meine Vorliebe für gestromte Sloughis, die
mich diese Wahl treffen lässt. Denn wichtiger als
das Äußere ist für mich das Wesen. Und
Rainine zeigt ein wunderbar ausgeglichenes, instinktsicheres
Verhalten und freundliche Souveränität. Sie
hat die Qualitäten in bester Ausprägung, mit
denen die Sloughis und ihre Abkömmlinge mit Sloughiseelen
mein Herz eroberten.
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