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vom 24.09.2002

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Tunesien - Die Halbnomaden von Douz

Text und Fotos: Edith Kohlbach english version

Wenn die kargen Dornbüsche in der Wüstensteppe um Douz zarte grüne Spitzen bekommen, packen die Bewohner der umliegenden Dörfchen vom Stamm der Marazig, die längst in Steinhäusern mit Wasser- und Stromanschluss leben, ihre Zelte und ihre Viehherden - Ziegen, Schafe oder Kamele - und ziehen wie einst ihre Väter hinaus in die Wüste. Gut 30 km von ihrem Wohnort entfernt, bleiben sie dort, bis die Sommerhitze das letzte Grün verbrennt. Dieses Nomadenleben ist nicht ohne Komfort. Über die gute Piste in der Nähe wird das Trinkwasser herangefahren, doch für das Brennmaterial läuft die Beduinenfrau wie zuvor kilometerweit, hackt die knorrigen Dornbüsche mit ihren Wurzeln aus der Erde und trägt riesige Ballen auf dem Rücken zum Zelt. Der dicke Teil gibt die Glut für das Kochfeuer, die dürren Zweige das Licht am Abend.

Hinaus gehen die Alten. Wegen der Kinder zog man einst in die Dörfer, um ihnen eine Schulbildung zu ermöglichen. Heute arbeiten sie auf der Gemeindeverwaltung, der Bank oder im Tourismus. Doch am Wochenende, sobald die Jüngsten aus der Schule kommen, zieht die ganze Familie auf kleinen Lastwagen und mit Mopeds hinaus, beladen mit Lebensmitteln, frischem Gemüse und Obst. Die Nomadenseele schlummert nur, ein Abend unter dem Sternenhimmel der Wüste ist schöner als in Douz mit seinen neuerbauten Luxushotels direkt an der großen Düne El Hofra.

An diesem Abend treffen sich etwa 20 Familienmitglieder, auch ich darf dabei sein. Vor dem handgewebten, braunen Zelt aus Kamel- und Ziegenwolle bereiten die Frauen das Essen vor. Aus Mehl, Salz und Wasser wird in breiten Schüsseln der Brotteig geknetet, eine andere schält das Gemüse. Die Großmutter kehrt mit ihrem riesigen Holzbündel zurück und brennt etwas abseits ein großes Feuer an, dort soll später das Brot gebacken werden. Die Schwiegertochter hat inzwischen den bauchigen Kessel mit Fleisch und Gemüse aufgesetzt. Es ist ein herrlich windstiller Abend, selten in der Sahara. Auf der einen Seite werkeln die Frauen, auf der anderen sitzen die Männer im Kreis, trinken Tee und palavern. Keiner käme auf die Idee, den Frauen etwas von ihrer Arbeit abzunehmen. Die Aufgaben sind genau festgelegt, sie haben ihr Tagewerk in der Stadt erfüllt. Die zahlreichen Kinder tollen herum, sie haben genug Spielkameraden und viel Auslauf, von der Piste, auf der nur alle paar Stunden ein Auto fährt, sind wir einige 100 Meter entfernt.

Ein Nomadenzelt aus Ziegenhaar.

Kurz vor Sonnenuntergang kommen die Ziegen von ihrer Futtersuche zurück. Niemand hat sie beaufsichtigt, sie folgen ihrem Instinkt, der sie rechtzeitig zum Zelt zurück bringt. Die erwachsenen Tiere werden in einem Pferch aus Dornbüschen angebunden, auch das eine Aufgabe der Frauen. Die Jungtiere werden im Innern des Zeltes an der Seitenwand festgebunden. Schakale gibt es viele und ein solches Zicklein käme ihnen gerade recht. Doch zu den Menschen trauen sie sich nicht.

Die Frauen schieben nun die rote Glut des Brotfeuers zur Seite, legen den Teigfladen in die Mulde, häufen heißen Sand darüber und schichten einen zweiten Fladen darauf, der mit Glut bedeckt wird. Später klopft man einfach Asche und Sand ab und erhält ein leckeres Fladenbrot. Auch das Fleisch ist inzwischen gar. Eine große, dampfende Schale kommt in den Kreis der Männer, eine kurze Diskussion auf Arabisch, dann werde ich, die europäische Frau, dazugebeten. Alle tunken nun Brotstücke in die Fleischsoße. Es gibt etwas ganz besonderes: Gazellenfleisch. Es schmeckt sehr gut und ist herrlich zart. Nachdem die Männer satt sind, wird ein kleiner Kinderkreis gebildet, sie tunken die Schale mit den Resten der Männer aus. Die Frauen backen derweil ein neues Brot und erst dann können auch sie essen.

Die Nomadenfrauen bei der Essenszubereitung.

Nach der Mahlzeit, als man sich gerade zum Tee setzen will, ein Motorengebrumm. Beduinen von einem anderen Zelt kommen auf ihren Mopeds zu einem kleinen Plausch vorbei. Klar gibt es getrennte Frauen- und Männerrunden, doch fliegen Worte hin und her, und es herrscht eine innige Atmosphäre der Gemeinsamkeit. Die Kinder, müde vom Herumtollen, lassen sich einfach fallen und schlummern.

Gazellenjagd

Aber nun kommt die Stunde der Männer. Die Nacht ist längst hereingebrochen, und sie bereiten die Motorräder zur Gazellenjagd vor. Am Lenker sitzen starke Scheinwerfer, von denen die Tiere bei ihrer Flucht geblendet werden und dann leicht geschossen werden können. Fünf Männer auf Mopeds mit umgehängten Gewehren brechen auf. Mir tun die armen Tiere in der Seele leid. Aber habe ich ein Recht darauf, die Jäger zu verurteilen? Sie schießen nur den Nahrungsbedarf für ihre Familie, wissen sehr wohl, dass das verboten ist. Und hätten es bestimmt nicht nötig, würden sie so im Wohlstand leben wie wir. Dass ich sogar Fotos von ihnen machen darf, ist ein großer Vertrauensbeweis.

Doch das Ergebnis dieser Jagd will ich nicht mehr sehen. Unter einem sternenübersäten Himmel erreichen wir um Mitternacht die Touristengettos an der großen Düne. Die Fremden werden zu Hunderten von Djerba, Hammamet oder Sousse herangekarrt, für eine Stunde, lächerlich verkleidet, auf ein Dromedar gesetzt und dann in ihrem Luxusquartier abgeladen. An einheimischer Bevölkerung lernen sie lediglich den Reiseführer kennen. Wie die Tunesier leben, wie es bei ihnen zu Hause aussieht, ist ihnen unbekannt. Ein paar Tage zuvor sagte mir eine Deutsche: Douz? Da ist doch nichts los! Da werden doch um 20 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt.

 

 

   

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