Die Reise von Nedjef
Hallo, meine lieben Freunde der Gruppe X. Manche von euch erinnern sich vielleicht, ich bin Nedjef, der sechsjährige Sloughi, den Jessie meinen Besitzern anvertraut hat.
Aber ich will hier nicht von den Dreien erzählen - sie sind wirklich liebenswürdig, besonders er, der mich in seinem Camping Bus quer durch Europa geführt hat. In alle Himmelsrichtungen sind wir ausgezogen, um CACIBs zu sammeln. So wurde es mir gegönnt Schönheitschampion zu werden, in Spanien, Portugal, Gibraltar und schlussendlich dann auch Internationaler Champion. Ein Traumleben habe ich geführt: immer wie aus dem Ei gepellt, geduscht, geschminkt, gekämmt, beinahe rasiert.
Sie haben mich auch an ziemlich einigen Rennen teilnehmen lassen, was für mich wie eine Jagd-Simulationen war. Vor allem zu Beginn hat mir das unglaublich Spaß gemacht und atmosphärisch war es eine gute Abwechslung zu den Ausstellungsbesuchen, wo, wenn man mal nicht vom guten Klan ist, oder nicht von der richtigen Person begleitet wird ... naja, lassen wir das ... außerdem musste ich feststellen, dass das im Rennzirkus auch nicht viel anders abläuft ... also, um wieder zurück zum Thema zu kommen, in Spanien durfte ich dann echte Hasen jagen. Nein, ich bedauere nichts! Es waren zwei traumhafte Jahre. Ich bin oft mit einer Sloughia losgezogen, die für ihr Leben gerne rannte und immer zu Streichen aufgelegt war. Sie war sehr sympathisch, wir haben uns gut amüsiert, wir zwei. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie inzwischen Mutter geworden ist und jetzt von einer jungen Rasselbande umgeben ist. Ich freue mich für sie! Ich selbst bin im Genuss, ein Einzelkind zu sein.
Gut, voran, ich bin eine Plaudertasche, ich wollte euch nicht von meiner Vergangenheit berichten, sondern von meinem neuen Land: Französisch-Guayana.
Ich lebe jetzt seit gut einem Jahr 8000 km entfernt von Frankreich.
Eines Tages kamen Joel, Brigitte und Aurélien auf mich zu und erklärten mir, dass sie für ihre Arbeit sehr sehr weit von den Pyrénées-Orientales (Anmk. d. Red.: Region im Süd-Westen Frankreichs) wegziehen müssten und dass sie mich für einige Zeit bei einem Freund auf Urlaub einquartieren würden. Sowie es ihnen möglich sei, würden sie mich holen kommen. Ich hab ihnen geglaubt, es war ja nicht das erste Mal, dass sie mich bei Francois gelassen hatten und ich verstand mich gut mit Yanoch, dem Afghanen. Wir waren mehr oder weniger gemeinsam aufgewachsen.
Aber mit der Zeit holte mich dann doch die Sehnsucht ein und umso bemühter ich war, mir das Leben schön zu gestalten, desto mehr musste ich an meine Liebsten denken. Dazu ist zu sagen, dass 5 Monate eine lange Zeit sind! Und dann – ein Wunder – kam Joel um mich abzuholen. Um ganz sicher zu gehen hab ich ihn keinen Moment mehr aus den Augen gelassen.
Schon am nächsten Morgen brachen wir auf, nahmen die Strasse Perignan-Paris. Joel wollte mir einen Flug mit Zwischenstop ersparen. Die Fahrt verlief problemlos und wir übernachteten in Orly.
Dann begann die Reise ins ungewisse....
Man gab mir 1/4 Lexomil vor dem Tierarztbesuch und ich machte meine erste Bekanntschaft mit der Transportbox. Zwei Stunden später gab man mir ein weiteres halbes Säckchen Lexomil und ich beobachtete, wie sich mein Herrchen entfernte, er war besorgt, was mich nur halb so viel beunruhigte. Die Hostessen in Orly waren sehr freundlich zu mir, auch die Bediensteten, die mich sehr sorgsam in das Flugzeug brachten.
Zur Reise selbst gibt es nicht viel zu sagen, außer dass 9 Flugstunden und eine zusätzliche aufgrund einer Verspätung sehr sehr lang sind, viel zu lang, um in einer guten Verfassung anzukommen.
Und dann kam das entsetzliche Ende! Ohne irgendwelche Betreuung, völlig allein gelassen und ja, beinahe skrupellos unbedacht fand ich mich plötzlich inmitten von Gepäcksstücken auf einem Fließband wieder. Sehr beeindruckend!
Man sieht unzählige unbekannte Gesichter, man versucht im Ungewissen sein Herrchen zu finden und natürlich findet man ihn nicht. Man hat Durst, will seine Bedürfnisse erledigen und frische Luft atmen. Man wird panisch! .........
Dann endlich Joel, der mich auch sofort aus der Box befreien wollte, aber zwei Polizisten hielten ihn davon ab. Es sei verboten, im Flughafen, ich müsse zuerst die Zoll Kontrolle passieren. Das war zu viel für Joel – so kenn ich ihn gut - er begann zu brüllen in einer Sprache, die sich nicht ganz korrekt anhörte ... Aber erreichen konnte er damit nichts. Also beschloss ich, mich selbst einzubringen. Ich weine so gut wie nie, aber hier begann ich lautstark zu schreien - mit dem Effekt, dass sich spontaner Protest bei unserem Publikum einstellte und die Ordnungshüter kleinbei geben mussten.
Eine weitere verlorene Stunde, bis ich endlich draußen war und meine Familie wieder sehen konnte. Aurélien aß gerade einen Kuchen, den ich mir gleich stibitzte – die guten Eigenschaften vergisst man nicht.
Nachdem ich dann ausgiebig getrunken hatte und meine Geschäfte verrichtet hatte (es war wirklich ein langer Flug!) begann ich, dieses neue, heiße Land zu erkunden.
Es ist jetzt ein Jahr vergangen, seit ich hier angekommen bin und es ist gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Es ist immer heiß (zwischen 28 und 34°), niemals Temperaturen unter 23° in der Nacht. Trotzdem schlafe ich immer mit Decke, weil ein Sloughi immer zugedeckt sein will, außerdem schützt das vor Moskitostichen.
Selbstverständlich hab ich mir das Schlafzimmer meiner Besitzer ausgewählt, wo es eine Klimaanlage gibt.
Der Garten ist kleiner als in Frankreich, aber ich laufe oft am Strand, ganz in der Nähe unseres Hauses.
Nur mit einem hab ich Probleme: mit den Ameisen ... Ob sie braun sind, schwarz, rot, groß oder klein, Blattschneiderameisen, oder was weis ich was, ihre Bisse sind sehr schmerzhaft. Am Anfang, voller Neugier, hab ich ihnen noch meine Schnauze hingehalten.....
Ich gehe regelmäßig zum Tierarzt, der natürlich nichts von Sloughis wusste.
Er pflegt mich gut, zudem ist Brigitte eine Krankenschwester, das ist hilfreich. Ich möchte mir keine Pilzerkrankungen einfangen, also streune ich nicht unbedacht herum, denn Hygiene wird hier nicht sehr groß geschrieben. Entwurmt werde ich regelmäßig, wie in der Großstadt. Bei der Ankunft gab man mir vier Injektionen und jetzt bekomme ich jeden Monat eine Tablette Cardomec gegen Herzwürmer.
Trotz allem habe ich mir bei der Ankunft die Räude eingefangen und musste zwei Monate lang wöchentlich ein Bad ertragen. Anschließend wurde ich mit einer widerlich riechenden Lotion eingeschmiert.
Französisch Guyana, das ist keineswegs die Hölle! Kommt doch zu Besuch, oder – warum nicht auch für länger – ihr seid herzlich Willkommen!
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